Nepomuk-Feier der Ackermann-Gemeinde mit Bischof emer. Dr. Friedhelm Hofmann
Nach zwei Jahren Pandemie konnte am 21. Mai 2022 die traditionelle Nepomuk-Feier mit Lichterprozession der Ackermann-Gemeinde in der gewohnten Form wieder stattfinden. Mögen sich auch die Zeiten ändern, so ist die Kontinuität gerade in einem unsicheren Umfeld eine zentrale Größe, um letztendlich zu überleben. Und so gab es in diesem Jahr auch wieder einen prominenten „Mitra-Träger“ in Gestalt des emeritierten Würzburger Bischofs Dr. Friedhelm Hofmann, der dem Gottesdienst vorstand. Verändert war jedoch der Ort des liturgischen Geschehens, nämlich die St. Burkarder Kirche, gelegen im ältesten Siedlungsgebiet von Würzburg, dem Mainviertel. Die Besucherzahlen des Gottesdienstes zur Nepomuk-Feier erreichten bemerkenswerter Weise die Anzahl an Gläubigen, die auch an Sonntagsgottesdiensten in St. Burkard zu verzeichnen ist und das ist schon ein Erfolg, zumal das kirchliche Vereinsleben nach zwei Jahren Corona doch sehr viele Einschränkungen erfahren musste.
Machtkampf „Imperium“ und „Sacerdotium“
In seiner Predigt ging Bischof Dr. Hofmann auf einen pastoraltheologischen Aspekt im Leben des Heiligen Nepomuks ein, der gerne ausgeblendet wird, nämlich seiner Rolle als Beichtvater, die ja der Legende nach zum Martyrium geführt hat. Letztendlich waren es wohl tiefgreifende Konflikte zwischen dem damals regierenden König Wenzel, der als Sohn Kaiser Karl IV. seit 1378 in Prag regierte, und dem Erzbischof Johann von Jenstein, die zum Tode Nepomuks führten. Wie schon zu vielen Zeiten in der Kirchengeschichte ging es um Machtkämpfe zwischen geistlichem „sacerdotium“ und weltlichem „imperium“. Der Streit entzündete sich nach dem Tod des damals residierenden Abtes von Kladrau und dem damit verbundenen Plan König Wenzels, die Abtei in ein Bistum zu verwandeln und einen Oberhirten einzusetzen, der dem König gewogen war und so im Machtkampf mit dem Prager Metropoliten Johann von Jenstein einen Punktesieg zu erringen. Um den Konflikt zu seinen Gunsten zu entscheiden, galt es für den Prager Erzbischofes in kurzer Zeit einen neuen Abt für das Kloster wählen zu lassen und zu bestätigen, was auch gelang. Durch die im 14. Jahrhundert doch eher langen Transportwege konnte der König keinen Widerspruch gegen diese Wahl einlegen. Über dieses Vorgehen war König Wenzel äußerst empört und der damalige Generalvikar Johannes von Pomuk („Nepomuk“) geriet zwischen die Mühlsteine dieses geistlich-weltlichen Machtkampfes. Am 20. März 1393 ordnete König Wenzel die Verhaftung sowie eine „peinliche Befragung“ an, bei der Johannes von Pomuk schwer gefoltert wurde. Was bezweckte der König mit diesem Vorgehen, das nicht nur zutiefst gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit verstieß, sondern auch in scharfem Gegensatz zur Botschaft des Neuen Testamentes stand? Das Ereignis der Wahl eines neuen Abtes im Kloster Kladrau ließ sich nicht mehr rückgängig machen. In diesem Zusammenhang kommt nun Königin Sophie ins Spiel, Wenzels zweite Gemahlin. Johannes Nepomuk soll ihr Beichtvater gewesen sein und es kursierten Gerüchte in Prag über eine mögliche Scheidung. Die Ereignisse lassen sich nach mehr als 700 Jahren nicht mehr genau rekonstruieren. Die Brutalität des königlichen Vorgehens gegen den erzbischöflichen Generalvikar gipfelte darin, dass der schwerverletzte Johannes von Pomuk von der Karlsbrücke gestürzt wurde und in der Moldau ertrank. Damit war das Tischtuch zwischen König und Prager Klerus endgültig zerschnitten und die Begebenheit ist eine traurige Episode in der nicht unblutigen Kirchengeschichte Mitteleuropas. Auf lange Sicht profitierte jedoch die Kirche Böhmens, denn sie erhielt einen der berühmtesten Heiligen der Welt. Nicht nur die ikonographische Darstellung Nepomuks als „Brückenheiliger“ an vielen Orten in Europa hat dazu beitragen, sondern auch die Tatsache, dass Johannes von Pomuk als Patron der Beichtväter gilt.
Beichte als verloren gegangenes Sakrament
Genau diesen Aspekt thematisierte der emeritierte Würzburger Bischof, indem er auf die Bedeutung der Beichte im heutigen Glaubensleben der katholischen Kirche einging. Die Beichte ist ein Sakrament, das gerne ausgeblendet wird, vor allem in deutschsprachigen Gemeinden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Vielleicht ersetzt das zunehmende gesamtgesellschaftlich organisierte Moralisieren über Umweltsünden oder zu hohem Fleischverbrauch die persönliche Beichte immer mehr. Möglicherweise hat auch das protestantische Denken, das ja ebenfalls in viele Gremien unserer Kirche Einzug hält, die Beichte ebenfalls verdrängt. Oder ist es die immer weiter abnehmende Gottesfurcht, die den Christen mit einer immer größer werdenden Sorglosigkeit durchs Leben gehen lässt. Wer fürchtet sich heute noch davor, eines Tages für gravierendes Fehlverhalten zu Verantwortung gezogen zu werden, wenn man in seinem Leben maßgeblich gegen die 10 Gebote verstoßen hat? Wenn der emeritierte Bischof über die Beichte spricht, weiß er genau, wovon er redet. In seiner Zeit in Köln war er als damaliger Dompfarrer viele Stunden im Beichtstuhl und hat die Sorgen und Nöte der „Pönitenten“ auf sich genommen. Dass das nicht immer eine rheinländisch-lustige Angelegenheit war, versteht sich von selbst. Es erscheint schwierig, dieses, von vielen auch führenden Vertretern unserer Kirche gar nicht mehr erwähnte Sakrament der Versöhnung wieder zum Leben zu erwecken. Möglicherweise trägt die Beschäftigung und das Lebenszeugnis des Prager Generalvikars Johannes von Nepomuk dazu bei, nicht nur auf den Brückenheiligen zu schauen, sondern auch auf den Patron der Beichtväter.
Lichterprozession in umgekehrter Richtung
Im Anschluss an den Gottesdienst in St. Burkard fand nach zwei Jahren eine Lichterprozession statt, ein Novum in der Geschichte der Würzburger Ackermann Gemeinde. Denn die Richtung war eine andere im Vergleich zu den bisherigen Jahren. Und so machte sich doch eine zwar zahlenmäßig nicht ganz so große, aber qualitativ durchaus überzeugende, Gruppe von der Seite des Mainviertels auf den Weg zur Nepomuk-Statue auf, die in der abendlichen Stimmung auf der alten Mainbrücke nicht nur die Prozessionsteilnehmer, sondern auch Touristen, Passanten und „Brückenschöppler“ ansprach. Die beiden Konzelebranten, geistlicher Beirat der Ackermann-Gemeinde Pfarrer Klaus Oehrlein und Vertriebenenseelsorger Adam Possmayer, gestalten diesen eher kontemplativen Teil des Nepomuk-Feier und schlossen in ihren Fürbitten auch die Menschen in der Ukraine und in allen Kriegsgebieten dieser Erde ein. Die Ackermann-Gemeinde lebt und auch die Pandemie hat sie vielleicht ein wenig geschwächt, aber die Glut ist immer noch da. Möge uns der Heilige Nepomuk helfen, dass aus der Glut sich im kommenden Jahr wieder ein Feuer entwickelt, das um den 16. Mai des Jahres 2023 wieder viele begeisterte Menschen an der alten Mainbrücke ansprechen wird.
Bericht: Dr. Dr. Thomas Richter
Foto: Ackermann-Gemeinde Würzburg