„Vierzig” ist eine heilige Zahl. Somit ist es schon etwas Besonderes, dass Heimatvertriebene sowie Aussiedler aus dem Südosten Europas und den Gebieten der ehemaligen UdSSR seit 40 Jahren am Ende des Monats September in die Wallfahrtskirche “Maria im grünen Tal” nach Retzbach kommen.
Wallfahren bringt eine Dankbarkeit zum Ausdruck, die man gegenüber Gott empfindet, auch wenn der Verlust der Heimat immer eine Wunde bleibt, die schmerzt. Es ist Aufgabe der Ortskirche, den Vertriebenen ein Stück Nähe und Geborgenheit zu vermitteln, weshalb auch die Diözese Würzburg diese Form der Seelsorge unterstützt. Und so freute sich der dafür zuständige Seelsorger Pfarrer Adam Possmayer, zu diesem außerordentlichen Ereignis den Weihbischof des Bistums Erfurt, Dr. Reinhard Hauke, in Retzbach begrüßen zu dürfen. Dieser ist als Beauftragter der deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenseelsorge in allen unseren Bistümern zuständig.
Die Predigt des Weihbischofs nahm Bezug zu den Texten der Heiligen Schrift, die an Weihnachten im Mittelpunkt stehen, aber letztendlich im gesamten Kirchenjahr eine Rolle spielen. Die Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja beschreibt die Hoffnung eines Volkes, das “im Dunkeln lebt”, jedoch Hoffnung schöpft, indem es “ein helles Licht” sieht. Hintergrund dieses alttestamentarischen Textes ist das jüdische Volk in der Zeit um 730 vor Christus, das nach Babylon verbannt wurde. Die Zukunft liegt in einem Kind, dessen Kommen der Prophet ankündigt. Dabei hat Jesaja jedoch nicht einen mächtigen zukünftigen Herrscher im Blick, sondern den Messias als Friedensbringer. Diese Stelle ist eine Absage an jede Form von Gewaltherrschaft, denn, so Jesaja, “jeder Stiefel, der dröhnend daherstapft, wird ein Fraß des Feuers.” Diese prophetischen Worte haben auch heute nichts von ihrer Aktualität verloren, denn, so Weihbischof Dr. Hauke, “das Jahr 2022 wird in Europa als Kriegsjahr in Erinnerung” bleiben. Aus diesem Grund stellte der Zelebrant besonders die Bitte um Frieden als zentrales Anliegen dieses Gottesdienstes in den Mittelpunkt. Das Gebet hat schon des öfteren in der Geschichte Wegmarken gesetzt, nicht nur zur Zeiten des Propheten Jesajas, sondern auch im Hinblick auf den gewaltfreien Fall des eisernen Vorhangs.
Am Ende des Gottesdienstes bedankte sich Hans-Peter Dörr im Namen des Diözesanvorstands der Ackermann-Gemeinde beim Weihbischof für sein Kommen und erwähnte, dass er selbst seit 40 Jahren an dieser Wallfahrt teilnimmt. Mit einer Lichterprozession, dem Aussetzen des Allerheiligsten und einem Gebet für die Menschen in den Kriegsgebieten auf dieser Welt klang dieser würdevolle Gottesdienst aus. Das Stiften von Frieden im Sinne der Bergpredigt zählt gerade in Zeiten wie diesen zu den Kernaufgaben aller Religionen.
Bericht: Dr. Dr. Thomas Richter
Fotos: Landsmannschaft der Oberschlesier